„Konzertierte Aktion Pflege“ zur Bekämpfung des Pflegefachkräftemangels:

„Maßnahmenpaket“ der Bundesregierung enttäuscht – viele Forderungen, wenig Hilfe!

Essen, den 5. Juni 2019. Enttäuscht reagiert der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e.V. auf die lang erwarteten Ergebnisse der „Konzertierten Aktion Pflege“, die von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gestern in Berlin vorgestellt wurden und die als Grundlage zur Bekämpfung der Personalnot in der Pflege dienen sollen.

„Wir haben schon im Jahr 2018 sofortiges Handeln gefordert. Stattdessen haben sich Arbeitsgruppen rund ein Jahr hinter verschlossenen Türen mit dem Thema beschäftigt und enttäuschen nun jeden, der darauf gehofft hat, dass Pflegeeinrichtungen zumindest jetzt endlich schnell und effizient bei der Personalgewinnung unterstützt werden“, resümiert der bad-Bundesvorsitzende Andreas Kern. „Die meisten Punkte sind inhaltlich weder neu, noch sonderlich innovativ und rechtfertigen im Ergebnis nicht den nun schon viel zu lange währenden Stillstand, unter dem die Branche leidet“, so Kern. „Wir freuen uns, dass die Politik unseren jahrelangen Forderungen nach einer Verbesserung der Attraktivität der Pflegeberufe insgesamt endlich zustimmt und einsieht, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege hierfür unerlässlich ist. Die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen sind hierzu jedoch nicht ausreichend. Teilweise stellen sie sogar für die um Fachkräftegewinnung bemühten Pflegeeinrichtungen nicht die erhoffte Hilfe, sondern eine zusätzliche Belastung dar.“

Warum fordern, was jetzt schon Realität ist?

Kern führt in diesem Zusammenhang beispielhaft aus: „Sprachkurse im Ausland für ausländische Pflegefachkräfte gibt es schon heute. Gütesiegel für Vermittlungsagenturen sind für die Anzahl gewonnener Fachkräfte nicht entscheidend und werden absehbar ebenso keine Trendwende bringen. Die Verfahren müssen vielmehr rechtsverbindlich transparenter, schneller und effizienter werden. Sich auf mäßig relevante Einzelheiten zu beschränken, bringt uns dagegen nicht entscheidend weiter.“ Kern kritisiert zudem: „Hohe Arbeitsbelastung ist regelmäßig eine Folge fehlenden Personals. Aber ich halte es für höchst fragwürdig, einer Pflegeeinrichtung, die sich bemüht, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und händeringend nach Pflegefachkräften sucht, einen neuen Personalschlüssel verbindlich vorzugeben. Wer erfolglos zusätzliches Personal sucht, muss nicht mit drohenden Sanktionen „gezwungen“ werden, es einzustellen. Vielmehr muss dafür gesorgt werden, dass das erforderliche Personal auf dem freien Markt verfügbar ist. Hier könnten zusätzliche finanzielle Anreize in strukturschwachen Regionen helfen.“

Fehlende Gleichstellung von Alten- und Krankenpflege

Auch Andrea Kapp, Bundesgeschäftsführerin des bad e.V., sieht die Pläne kritisch: „Ein Kernproblem bleibt die Benachteiligung der Altenpflege gegenüber der Krankenpflege: Wenn Leistungen der Krankenpflege weiterhin aufgrund des staatlichen Leistungsrechts besser bezahlt werden, dann sind Altenpflegeeinrichtungen hier strukturell in einem generellen Nachteil und drohen durch die generalistische Pflegeausbildung zusätzlich Personal an Einrichtungen zu verlieren, die bessere Löhne bezahlen können. Der Gesetzgeber sollte aufhören, hier falsche Anreize zu setzen und Altenpflege endlich ebenso honorieren wie die Krankenpflege. Erst dann ist ein fairer Wettbewerb um Pflegefachkräfte möglich. Für allgemein verbindliche Gehaltsvorgaben ist dies aus unserer Sicht eine zwingende Grundlage.“

Fehlende Angaben zur Finanzierung

Für die Umsetzung solcher Gehaltsvorgaben seien Beschlüsse der Pflegemindestlohnkommission der deutlich bessere Weg als eine Allgemeinverbindlichmachung eines Tarifvertrags. „Die Pflegemindestlohnkommission ist ein bestehendes, funktionierendes Gremium, dass unmittelbar und rechtssicher tätig werden kann. Für rechtlich unsichere Tarifvertragsvarianten, die stärker in die Tarifautonomie der Vertragspartner eingreifen, als dies für bessere Löhne notwendig ist, sehen wir insofern keinen Anlass“, so Kapp.

„Bislang fehlt es insgesamt an konkreten, verlässlichen Aussagen zur Finanzierung und an verbindlichen Regelungen, die effektiv sicherstellen, dass Mehrbelastungen der Pflegeeinrichtungen durch die Neuregelungen zu 100% rechtssicher refinanziert werden“, kritisiert Kern weiter. „Diese Regelungen müssen neuen Verpflichtungen vorausgehen, wenn man nicht zusätzliche Risiken für die Branche schaffen will.“