bad e.V. warnt vor Bagatellisierung der aktuellen wirtschaftlichen Probleme in der Pflege

Essen, 03.08.2023 Der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e. V. hat in der jüngeren Vergangenheit eindringlich auf die aktuell schwierige wirtschaftliche Situation von ambulanten und (teil-)stationären Pflegeeinrichtungen hingewiesen und eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen eingefordert. Letzteres ist bislang ausgeblieben, auch weil die aktuellen Probleme immer wieder geleugnet und schöngeredet werden. Unter anderem wurde behauptet, dass manche Unternehmerverbände die Lage in der Pflegewirtschaft schlimmer darstellen würden, als sie wirklich sei. Als Begründung zog man die Daten der Agentur pflegemarkt.com heran. Demnach wurden im ersten Halbjahr 2023 mehr Pflegeeinrichtungen gegründet als geschlossen.

Andrea Kapp, die Bundesgeschäftsführerin des bad e. V., mahnt, hier keinem Trugschluss zu verfallen: „Man darf sich allein von den Einrichtungsgründungszahlen nicht blenden lassen, weil sie kein sicherer Indikator für die wirtschaftlichen Probleme des operativen Geschäfts sind, sondern lediglich ein Indikator für die Hoffnung, selbst die Probleme besser meistern zu können, als dies bei anderen der Fall ist. Wie viele der neu gegründeten Einrichtungen in einem wirtschaftlich schwierig gewordenen Umfeld das erste Jahr überstehen, ist zudem oft fraglich.“ Zudem berücksichtige die Statistik nicht, wie viele Betriebe defizitär arbeiten und zum wirtschaftlichen Überleben auf Rücklagen zugreifen müssen. Ebenso finde teilweise -je nach Rechtsform eines Betriebes – der Verkauf einer Einrichtung aus wirtschaftlichen Gründen keinen Niederschlag in den Erhebungen.

Tatsächlich steigen die Insolvenzen. Wie das Statistische Bundesamt meldet, gab es einen Zuwachs der beantragten Insolvenzverfahren im ersten Drittel dieses Jahres von 27 im Januar auf 94 im April 2023. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 199 Insolvenzverfahren im Gesundheits- und Sozialwesen eröffnet. Rechnet man die Zahlen auf das ganze Jahr hoch, kann eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Vorjahr (307) erwartet werden.

„Auch auf die Zahlen von pflegemarkt.com sollte man genauer hinschauen. Dann stellt man nämlich fest, dass sie in Wirklichkeit alarmierend sind!“, gibt Kapp zu bedenken. Denn laut pflegemarkt.com haben die Schließungen von Tagespflegen im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 411% zugenommen (von 18 auf 92). Gleichzeitig sind die Gründungen von Tagespflegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 17% zurückgegangen (von 173 auf 143). Andrea Kapp: „Dies belegt den Anfang eines strukturell gefährlichen Trends, der gerade erst begonnen hat und weiter Fahrt aufnehmen wird, wenn die Politik und die gesetzlichen Kostenträger nicht unverzüglich anfangen, hier effektiv gegenzusteuern.“

Ebenso beurteilt Kapp dies bei ambulanten und vollstationären Pflegeeinrichtungen: „Die Anzahl der Neugründungen von ambulanten Pflegediensten ist im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 4% zurückgegangen (von 255 auf 245) und das trotz steigender Nachfrage und trotz eines pandemiebedingt ohnehin schon schwachen Ausgangsniveaus im Jahr 2022. Laut der Vorausberechnung des Statistischen Bundesamts wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 sogar um 10 % auf 5,5 Millionen vergrößern, so dass wir eine weitaus größere Zahl an Neugründungen benötigen werden. Wem das keine Sorgen bereitet, der hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden.“

Ein Vergleich der Anzahl der Einrichtungsschließungen mit der Anzahl der Neugründungen könne hierüber nicht hinwegtäuschen: „In der Vergangenheit mögen Neugründungen dazu geführt haben, dass es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein leichtes Wachstum gab. Aber wir brauchen ein Vielfaches mehr, um die demografiebedingt massiv steigende Nachfrage nach professioneller Pflege flächendeckend auch in Zukunft befriedigen zu können. Wenn wir bei den Neugründungen einen regen Zufluss benötigen, dann dürfen wir uns nicht dafür feiern, wenn die tatsächlichen Zahlen einem tropfenden Wasserhahn gleichen.“

Ferner weist Kapp darauf hin, dass Einrichtungsschließungen in strukturschwachen, ländlichen Regionen nicht durch Neugründungen in Ballungsgebieten kompensiert werden können und dass für eine „Entwarnung“ auch insofern aktuell kein Anlass bestehe.

Von einer schlimmeren Darstellung der Lage, als sie tatsächlich sei, könne mitnichten die Rede seien, so die Bundesgeschäftsführerin des bad e. V. Im Gegenteil: „Die Rückmeldungen seitens unserer Mitgliedsbetriebe nehmen wir sehr ernst und die sind alles andere als optimistisch.“

Kontakt
Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e. V.
Andrea Kapp, RA‘in
Bundesgeschäftsführerin, Qualitätsbeauftragte (TÜV)
Zweigertstr. 50
45130 Essen
Tel: 0201/354001
a.kapp@bad-ev.de

Über den bad e. V.
Der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e. V. mit seinem Hauptsitz in Essen wurde 1988 gegründet. Er vertritt die Interessen von bundesweit über 1.500 zumeist privat geführten Pflegediensten und -einrichtungen und stellt damit einen der großen Leistungserbringerverbände in der Wachstumsbranche Pflege und Betreuung dar.